Ich freue mich, auf dem Betriebsräte-Symposium des Poko-Instituts am 16.10.2024 in Münster mit einem Vortrag zum Thema „Digitalisierung und psychische Gesundheit“ vertreten zu sein.
https://www.poko.de/betriebsrat/symposien/8819-symposium-kuenstliche-intelligenz-chatbots-new-work-co
Ist die Digitalisierung der entscheidende Auslöser für die seit Jahren zunehmende Zahl psychischer Erkrankungen bei Beschäftigten? Fakt ist, dass sich die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von psychischen Erkrankungen von 2001 bis 2022 fast verdreifacht haben. Im gleichen Zeitraum hat die Digitalisierung eine rasante Entwicklung genommen. Sie hat sowohl in fast allen Berufen als auch im Privaten Einzug gehalten und nach und nach immer mehr Aufgaben übernommen.
Die Digitalisierung soll Prozesse optimieren, die Produktivität steigern, Fehler vermeiden, lästige, zeitraubende Routinetätigkeiten übernehmen und den (Arbeits-) Alltag erleichtern. Doch keine Errungenschaft ohne Schattenseiten! Was sind die Faktoren, die Mitarbeitende im Zusammenhang mit der Digitalisierung belasten?
Mit dem steigenden Grad der Digitalisierung sind die Anforderungen, die unsere Arbeitsplätze an uns stellen, stetig gestiegen.
- Abläufe sind komplexer geworden.
- Das Tempo hat zugelegt und damit ist auch die Erwartungshaltung an die Schnelligkeit unsere Reaktionen gestiegen. Stress ist vorprogrammiert.
- Zusätzlich muss eine immer größere Informationsflut, die uns durch das Internet stets und überall zur Verfügung steht, verarbeitet werden.
- Die Möglichkeiten, die uns das zeitlich und örtlich flexible Arbeiten bieten, sind nicht nur positiv. Eine wirkliche Trennung von Arbeit und Freizeit wird durch ständige Erreichbarkeit erschwert und es fallen häufig die notwendigen Erholungsphasen unter den (Homeoffice-)Tisch.
- Eine weitere Komponente, die sich negativ auf unsere psychische Gesundheit auswirken kann, sind die reduzierten sozialen Kontakte, nicht nur durch das Homeoffice. Die Digitalisierung hat uns zum Beispiel das zeitsparende Format der Videokonferenzen beschert, das Live-Treffen in vielen Fällen ersetzt.
Hinzu kommt, dass auch der private Bereich digitaler geworden ist. Wir stecken viel Energie in das ständige „Up-to-date-sein“, fühlen uns genötigt schnell auf Nachrichten, die uns von einem immer größer werdenden Kreis erreichen, zu reagieren. Das Nutzen sozialer Medien ist für die meisten von uns zur Normalität geworden. Für unsere psychische Gesundheit halten Mediziner*innen diese Entwicklung für bedenklich.
Aber was versteht man unter psychischer Gesundheit?
Psychische Gesundheit bezieht sich auf unser emotionales, psychologisches und soziales Wohlbefinden. Es betrifft, wie wir denken, fühlen, handeln und mit Stress umgehen. Eine gute psychische Gesundheit bedeutet in der Lage zu sein, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, positive Beziehungen zu anderen zu haben, produktiv zu sein und das eigene Potenzial zu entfalten.
Was können wir tun, um die Anforderungen der Digitalisierung mit psychischer Gesundheit zu vereinbaren?
Eins ist klar: die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten oder umzukehren. Wir alle müssen Strategien entwickeln, um negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit abzuwehren. Wichtig ist es, als Ausgleich genügend positive Ressourcen zu haben. Bezogen auf den Arbeitsplatz werden als Ressourcen von den Mitarbeitenden häufig Punkte wie:
- soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Kolleg*innen
- Handlungsspielräume
- angemessenes Feedback/Wertschätzung
- klar definierte Rollen und Aufgaben
genannt. Diese Ressourcen gilt es sich bewusst zu machen und zu fördern. Über eine gute Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen erfahren Sie, welche Ressourcen Ihren Beschäftigten wichtig sind!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Digitalisierung die psychische Gesundheit der Menschen – sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatleben – beeinflusst und wir uns bewusst machen müssen, wie wir die positiven Effekte nutzen und uns vor den negativen Auswirkungen schützen.
Unternehmen können einiges tun und sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen, bevor es zu hohen Ausfallzeiten durch psychische Erkrankungen kommt.
- Grundvoraussetzung: Mitarbeitende in die Lage versetzen, neue Technologien optimal zu nutzen (ausreichende Schulungen, gute Soft- und Hardware)
- Verbindliche Regeln zur Erreichbarkeit und Kommunikation im Unternehmen entwickeln und auch durchsetzen
- Beschäftigte in die Lage versetzen, ein gutes Selbstmanagement zu betreiben
- Ausgleichende Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge anbieten
- Die konkreten Bedürfnisse ihrer Belegschaft anhand der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ermitteln
Aber auch einfache und vermeintlich selbstverständliche Dinge wie regelmäßige Pausen und sogenannte „stille Arbeitsplätze“ (ohne Internet) können gute Effekte erzielen.
Phasen des „Digital Detox“ sind auch im Privaten zu empfehlen. Als Digital Detox bezeichnet man den kompletten Verzicht auf digitale Medien für eine bestimmte Zeit. Es hilft, Ruhephasen von der Reizüberflutung durch Smartphone und Co. zu schaffen.
Um alle Beschäftigten in die Lage zu versetzen trotz „Technostress“ ihre psychische Gesundheit nicht zu gefährden, müssen Verantwortliche im Arbeits- und Gesundheitsschutz den direkten Austausch mit den Beschäftigten suchen. Sie als Betriebsrat nehmen hier eine zentrale Rolle ein! Mit dem entsprechenden Hintergrundwissen zur psychischen Gesundheit im Allgemeinen und der Kenntnis der individuellen Ansprüche der Mitarbeitenden in Ihrem Unternehmen gestalten Sie die digitale Zukunft für und mit gesunden Menschen!
Inhalt erschienen unter: https://www.poko.de/betriebsrat/betriebsrat-know-how/digitalisierung/digitalisierung-und-psychische-gesundheit
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